Skitour zum Mückentürmchen (Komáří vížka)

Blick zum Mückentürmchen (Komáří vížka).

Ein früherer Beitrag widmete sich bereits einem von Krupka aus unternommenen Ausflug auf den Mückenberg (tschechisch: Komáří hůrka, Höhe ca. 807 m ü.n.m.) mit seiner reizvollen Aussicht auf das Böhmische Mittelgebirge und das Erzgebirge. Während es damals recht entspannt mit dem Sessellift in die Höhe ging, soll der heutige Ausflug per Ski von Altenberg aus erfolgen. Obgleich die Tour sicherlich keine übermäßigen sportlichen Qualitäten erfordert, sollte man ihr dennoch nicht völlig unvorbereitet folgen. Im Winter gehen über den Erzgebirgskamm häufig stärkere Stürme und führen zu Schneeverwehungen, die Skispuren in wenigen Minuten zum Verschwinden bringen können. Der ebenfalls häufige starke Nebel kann die Sicht auf wenige Meter einschränken und die Orientierung fast unmöglich machen. Bei schlechten Witterungsverhältnissen sollte man die Tour also evtl. unterlassen oder sich entsprechender Navigationshilfen bedienen (gpx-Track der Route ist dem Beitrag zugefügt).
Hat man jedoch das Glück an einem Tag mit schönem Winterwetter und guten Schneeverhältnissen (Wintersportbericht für Altenberg kann hier heruntergeladen werden) zu starten, so kann man sich auf einen sowohl landschaftlich wie auch geschichtlich interessanten Ausflug freuen: Von Altenberg aus geht es erstmal Richtung Kahleberg, dem man bei guter Sicht unbedingt einen kurzen Besuch abstatten sollte. Dann führt die Loipe die Schneise 30 schnurstracks auf den Lugstein zu, den wir jedoch rechts liegen lassen, um an der Wetterstation Zinnwald-Georgenfeld die Grenze zu überschreiten. Nun führt der Weg durch Cínovec, dem früheren Böhmisch Zinnwald, einem auch heute noch von den typischen, sich flach an den Boden duckenden, erzgebirgischen Kammhäusern dominierten Ort. Den meisten Häusern ist anzusehen, dass sie wohl nur noch als Sommerquartier von Erholung suchenden Städtern aufgesucht werden. Trotzdem können sie uns auch heute noch einen Eindruck vom nicht einfachen Leben auf dem rauen Erzgebirgskamm vermitteln. Genaugenommen bestand Böhmisch Zinnwald aus zwei Ortsteilen, nämlich Hinterzinnwald (tschechisch: Zadní Cínovec), das wir gerade passieren und Vorderzinnwald (tschechisch: Přední Cínovec). Der Ortsteil Vorderzinnwald ist heute eine Wüstung, nach der Vertreibung seiner deutschen Einwohner im Jahre 1945 wurde der Ort später dem Erdboden gleich gemacht. Heute findet man nur noch wenige Fundamentüberreste an Stelle der ehemaligen Siedlung und ein Gedenkstein auf deutscher Seite erinnert an den früheren Ort.
Während wir die letzen Häuser von Cínovec hinter uns lassen, erkennt man bereits eine markant geformte kleine Brücke über die Fernverkehrsstraße Nr. 8, der Fortsetzung der deutschen Bundesstraße B170.

Triumphbogen für die Mückenturmfahrer: Brücke über die Straße Zinnwald-Teplice.

Wir nutzen diesen Übergang, um die Straße, ohne die Ski ablegen zu müssen, zu überqueren. Von der Brücke aus hat man einen guten Blick auf die ausgedehnte, ehemalige deutsch-tschechische Gemeinschaftszollanlage. Diese für ca. 15 Mio € erbaute Anlage wurde 2001 fertiggestellt und beendete ihren Dienst bereits Ende 2007 durch In-Kraft-Treten des Schengener Abkommens. Ebenfalls Geschichte ist der Schwerlastverkehr, der sich seit Fertigstellung der Autobahn A17 und ihrer Fortsetzung auf tschechischer Seite glücklicherweise nicht mehr die steilen Straßen entlangwälzen muss.
Direkt an der Straße liegt das schöne Berghotel Pomezí, das in den Jahren 1930/31 vom Hotelierehepaar Josef und Anna Stephan erbaut wurde und damals den Namen Berghotel Ausspanne trug. Nun fahren wir eine Weile entlang eines Weges und überqueren eine Wiese, bis wir am Waldrand an eine Gabelung stoßen. Wir nehmen den rechten Weg, welcher bald stetig bergab geht, sodass wir nach einigen Kilometern rasant an Tempo gewinnen können (Vorsicht bei schnellem, verharschtem Schnee!).

Überreste des ehemaligen Forsthaus Siebengiebel

Nach einiger Zeit läuft die Strecke aus und wir stoßen auf ein verwahrlostes Gebäude mit einer gefassten Quelle daneben.
Forsthaus-Siebengiebel
Eine Informationstafel klärt darüber auf, dass sich hier ehemals das Forsthaus Siebengiebel der böhmischen Fürstenfamilien Clary und Aldringen befand. Heute finden sich davon nur noch Fundamentreste und der erwähnte verwahrloste Anbau, auf dem ein Holzschild mit der Aufschrift Hájovna pod sedmi štíty (Jagdhütte unter den sieben Giebeln) die Zugehörigkeit zum Jagdhaus erahnen lässt. Während des zweiten Weltkrieges befand sich hier eine Außenstelle des Kriegsgefangenlagers der Wehrmacht Wistritz Stalag IVc 1. Zuletzt diente es als Kindererholungsheim 2.
Die Informationstafel neben dem Gebäude ist übrigens Teil des Lehrpfades “Vorderzinnwald, das Leben unserer Vorfahren im Osterzgebirge”, welcher von Schülern des bischöflichen Gymnasium Mariaschein (Bohosudov) und der Mittelschule Geising gemeinsam erstellt wurde. Gefördert wurde das Projekt unter anderem vom deutsch-tschechischen Zukunftsfond. Da sowohl auf deutscher wie auch auf tschechischer Seite bisweilen die Tendenz besteht, ungeliebte Bereiche der eigenen Geschichte auszublenden oder zu beschönigen, ist ein Projekt, in dem Jugendliche beider Länder sich gemeinsam ein Verständnis für die Geschichte der Grenzregion erarbeiten, kaum genug zu loben. Dass gerade unter den jungen Menschen in der Tschechischen Republik ein starkes Interesse an der Geschichte der Grenzregion aufkeimt, zeigen Bürgerinitiativen, wie die von Schülern und Studenten unter dem Namen Antikomplex gegründete, die mit ihrer Ausstellung „Zmizelé sudety – Das verschwundene Sudetenland“ auch in Deutschland bekannt wurde.

Blick zum Vrch tří pánů und zum Bouřňák.

Von Siebengiebel aus geht die Strecke angenehm in der Ebene weiter und bei guter Sicht öffnet sich immer wieder der Blick bis hinüber zum Bouřňák (deutsch: Stürmer, 869 m) und zum Vrch tří pánů (deutsch: Dreiherrenhügel, 875 m) nordwestlich von Teplice. Einige Kilometer vor Erreichen des Mückenbergs lichtet sich der Wald und gibt schon den Blick auf unser Ziel frei: das Mückentürmchen erscheint aus der Ferne wie ein Schloss. Da der Berg über die Straße von Krupka aus mit dem Auto erreichbar ist, herrscht auch im Winter viel Betrieb auf dem Mückenberg und die Gasthäuser sind um die Mittagszeit bei schönem Wetter oftmals überfüllt. Über die Kapelle St.-Wolfgang, nebst dem anliegenden alten Friedhof und zum Mückentürmchen habe ich an anderer Stelle schon berichtet. Das Mückentürmchen ist Etappe einer bekannten Skiroute, der sogenannten “Hohen Tour”. Diese folgt von hier der Richtung Habartice (ehem.: Ebersdorf), Adolfov (ehem.: Adolfsgrün) und läuft über Tisa nach Maxičky um schließlich bei Dolní Žleb an der Elbe zu enden, auch eine Variante von Maxičky über das Böhmische Tor nach Schöna ist möglich. Wir heben uns diese Route für später auf und treten den Rückweg an. Ein kleines Stück fahren wir den Hinweg zurück und folgen dann der roten Markierung in den Wald Richtung Lysa Hora (deutsch: Kahler Berg). Auf dem Weg begegnen uns noch einige interessante Informationstafeln des weiter oben erwähnten Lehrpfades, unter anderem über den Mundartdichter Max Tandler. Schließlich treffen wir wieder auf den uns von der Hinfahrt bekannten Weg, den wir nun bis Altenberg zurückfahren.


Zum Schluss noch einige Leseempfehlungen:

Bürgerinitiative Antikomplex (Hrsg.): Zmizelé Sudety – Das verschwundene Sudetenland. Verlag Český Les. 2004.

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Das Buch zur Ausstellung “Das verschwundene Sudetenland”. Die Autoren versuchen die Standorte der Fotografen von vor dem Krieg gemachten Aufnahmen einzunehmen und stellen die heutigen Ansichten den alten Aufnahmen gegenüber. Die Bilddokumentation ist in die einzelnen Regionen des Sudetengebietes gegliedert, die jeweils durch eine kurze Charakterisierung des Gebiets eingeleitet werden. Bedrückender noch als die Fotografien sind manche der von Besuchern der Ausstellung gemachten Einträge in der Chronik zur Ausstellung.


Auf der Website www.zanikleobce.cz finden sich zahlreiche Bilder zu verschwunden Orten und Objekten des Sudetengebietes.


Peter Rölke (Hrsg.): Wander- & Naturführer Osterzgebirge. Berg- & Naturverlag Rölke. 2007.

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Die Bücher der Reihe Wander- & Naturführer des Berg- & Naturverlags Rölke aus Dresden sind bekannt für ihre neben der eigentlichen Routenbeschreibung gelieferten Vertiefungen zur Geschichte, zur Pflanzen- und Tierwelt des Gebiets. Auch eine Einführung in die Geologie der Region wird gegeben. Die Region um das Mückentürmchen, Altenberg, Geising und Zinnwald wird durch zahlreiche interessante Exkursionen erschlossen.


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